Der Nebel hat die Berge komplett umhüllt und zieht wie ein weißer Schleier über die Wipfel der Bäume. Kühl legt sich die frische Luft auf mein Gesicht. Mein warmer Atem bildet schon kleine weiße Wölkchen in der Morgenluft. Die Weide glitzert vom Regen. In der Ferne höre ich nur den einsamen Schrei eines Raben.Kühl und ruhig schlafen die Orte an diesem Sonntagmorgen. Am Tag zuvor hatte es geregnet und der Boden unter meinen Schuhen ist noch feucht. Ich bahne mir meinen Weg durch die herbstliche Landschaft und der Kies knirscht leise bei jedem Schritt. Die Kleinarler Ache, mein Begleiter, plätschert an meiner linken Seite. Ich lasse meine Finger über die Gräser am Flussufer schweifen. Viele leuchten nicht mehr in sattem Grün sondern sind schon braun und trocken. Alle Kraft haben sie schon in der Blütezeit und im heißen Sommer gebraucht, erst im Frühling erleben wir die strahlende Schönheit der Blumen und Gräser wieder. Genüsslich sauge ich die Ruhe und Frische in mich auf. Es sind noch ca. 3 Kilometer bis zu meinem Ziel: der Jägersee am Talschluss des Kleinarltales.
Auf meinem Weg von Kleinarl zum Jägersee sieht man alle Anzeichen dafür, dass sich die Natur auf den Winter einstellt. Schon jetzt, Anfang Oktober, sind die Gipfel der Berge weiß. Als hätte sie jemand mit einem Sieb bezuckert. Die markante Spitze des Kleinarler Hausberges, der Ennskraxn, hat sich noch in den Wolken versteckt. Gerade als sich ein paar Sonnenstrahlen den Weg durch die Wolken bahnen, löst der Wind sanft die goldenen Blätter von den Bäumen entlang der Ache. Fröhlich tanzen sie vor mir in der Luft. Wie schön der Herbst doch sein kann.
Nach und nach überquere ich mal eine kleine Straße, mal eine Brücke. Die Wegweiser halten mich immer auf dem richtigen Pfad. Nach einer guten Stunde bin ich am Ende des Weges und an meinem Ziel, dem Jägersee, angelangt. Die bunten Laubbäume zwischen den immergrünen Nadelbäumen spiegeln sich auf der Oberfläche wieder und zeigen ein einmaliges Bild. Ich setzte mich auf einen Stuhl am Ufer des Sees. Der Gastgarten des Gasthof Jägersee ist leer, erst im Dezember lädt das Restaurant, bekannt für seine köstlichen fangfrischen Forellen, herzhaften Wildgerichte und den hausgemachten Mehlspeisen, wieder zur Rast ein. Heute lasse ich den Rundgang um den See ausfallen, da ich noch die 4 Kilometer nach Kleinarl zurück vor mir habe. Einige Zeit genieße ich den Anblick des ruhigen Sees, der Enten und Schwäne und mache mich schließlich wieder auf den Rückweg.
Die Natur zieht sich wieder in ihre Wurzeln zurück. Alle Energie wird aus den Blättern gesaugt und schließlich abgeworfen. Doch nicht nur die Natur bereitet sich auf den Winter vor, auch die Orte verändern sich wieder. Die Blumentöpfe und –kästen verschwinden von den Balkonen. Die Gartenmöbel sind wieder im Keller verstaut und auch meine dicke Daunenjacke hängt schon in der Garderobe. Plötzlich packt mich die Vorfreude auf den ersten Schnee und die weißen Monate. Wenn die glitzernde Pracht wieder die Welt bedeckt und Eis und Schnee die Natur schlafen lassen.… Wenn die Skier startbereit im Kofferraum liegen… Und die Freude über die ersten Schwünge auf der Piste..